Von Anfang an habe ich betont, wie wertvoll der Mind ist, ja, wie unentbehrlich, um die höchste Erkenntnis zu erlangen. Advaita Vedanta ist begeistert vom Mind und seinen Möglichkeiten! Doch beruht diese Begeisterung auf einer differenzierten Analyse des Minds, die jedes Mal, wenn wir das Wort verwenden, mitgedacht werden muss.

Gleich 2010, als ich begann, die Essays zu schreiben, habe ich die Amritabindhu-Upanishade zitert, wo es sinngemäß heißt

„Der Mind ist das Problem, und der Mind ist die Lösung.“

Das bringt es auf den Punkt. Heute wird der Akzent mehr auf der problematischen Seite des Minds liegen. Andere Essays, in denen es um den Mind geht, siehe 1.

Alle Sucher auf dem Erkenntnisweg des Advaita Vedanta setzen ihren Mind ein, um die Erkenntnis zu erlangen. Welche Funktion setzen sie ein? Die Buddhi.

Zitat Essay 06-2018: Die Buddhi kann all das, was Manas nicht kann: Lernen, Analysieren, Verstehen. Während Manas emotionsgesteuert ist, ist die Buddhi an ihren Einsichten ausgerichtet, die auf ihrer Lernfähigkeit beruhen. (…) Im Advaita Vedanta ist sie unentbehrlich, ihre Fragen sind erwünscht und werden hoch geschätzt.

Alle Sucher sind, wenn sie Probleme haben, gebeutelt von ihrem Mind. Von welcher Mindfunktion sind sie gebeutelt? Von Manas.

Zitat Essay 06-2018: Manas ist der emotionale Mind. Emotionen haben positive und negative Seiten. Wenn sie einen regieren, überwiegen die negativen Seiten. Manas größtes Defizit besteht in dem Mangel an Lernfähigkeit, Manas-Gedanken sind unreflektiert. Manas kann denken, aber die Gedanken sind emotionsgesteuert (ich will – ich will nicht). Manas kann entscheiden, aber kann nicht bei Entscheidungen bleiben, weil sie impulsgesteuert sind und nicht auf Einsicht beruhen. Und Manas bleibt in Denkgewohnheiten stecken.

Ich möchte hier auf einen weiteren Aspekt von Manas eingehen. Im Vedanta, wo es für jeden Begriff eine Definition gibt, wird Manas als der ewige Zweifler definiert, als das, was hin und herschwankt, was sich nie ganz zu etwas bekennen oder ganz gegen etwas stellen kann. Stets tauchen Zweifel auf und stellen alles wieder in Frage. Dies ist eine äußerst hinderliche Angewohnheit, die auf der mangelnden Lernfähigkeit von Manas beruht.

Wer lernt, kann auf dem Gelernten aufbauen, es etablieren und es zu diesem Zweck auch einmal hinterfragen. Doch Manas’ Hinterfragen ist Selbstzweck. Manas kann nicht anders, weil Lernfähigkeit nicht zu seinen Qualitäten zählt.

Allein die Buddhi hat diese Qualität, sie operiert logisch und ist daher auch nur durch Logik zu überzeugen. Und dann steht sie zu ihrer Überzeugung und wirft sie nicht bei nächster Gelegenheit wieder um. Deshalb ist sie so wichtig ­– nicht nur für den Wahrheitssucher. Denn wo immer man sich, von Manas gesteuert, durchs Leben schlägt, wird man sich stets im Kreise drehen. Manas wird die Lösung nicht finden, die er oft  so frenetisch sucht.

Nun möchte ich ein bisschen für Manas eintreten. Denn so anstrengend und nervenaufreibend sein ständiges Hin und Her sein mag, Manas ist kein Bösewicht. Manas ist der unreife Teil in jedem von uns, dirigiert von Emotionen, Denk- und Fühlgewohnheiten, unreflektiert und unfähig. Aber Manas ist nicht böse, im Gegenteil, Manas will nur das Allerbeste. Er will das Körper-Geist-Gesamtsystem vor Unheil bewahren und wenn Unheil zu drohen scheint, agiert Manas „wild durch die Gegend“. Besser kann er es nicht.

Den Modus wechseln

Wenn Manas am Ruder ist, ist die Buddhi ganz klein. Das ist für das Gesamtsystem Mensch gar nicht gut, es sollte umgekehrt sein.

Denn:

Die Buddhi ist der erwachsene Teil in der Persönlichkeit

und Manas ist und bleibt der Kleine.

Die Lösung kann niemals darin bestehen, etwas an Manas zu verändern. Manas darf klein sein. Im Vedanta liegt die Lösung immer darin, die Buddhi zu stärken. Das geschieht nicht über Nacht, es ist ein längerer Prozess. Je nachdem, wo man anfängt, kann es ein sehr langer Prozess sein. Aber es ist der einzige Weg. Denn in dem Maße, wie die Klarheit, die Unterscheidungsfähigkeit und die Bestimmtheit der Buddhi zunimmt, im selben Maße entspannt sich Manas in seine Kleinheit und lässt die Buddhi machen.

Solange die Buddhi schwach ist, fühlt sich Manas aufgerufen, einzuschreiten – und zieht natürlich mit dem an die Front, was er zu bieten hat: Zweifel, Ängste, Wut und andere Emotionen, entscheidet-entscheidet um, agiert-reagiert-resigniert, und das alles mit voller Wucht und immer im Kreis. Ich nenne es das Manas-Karussell oder die Manas-Achterbahn. Natürlich werden damit keine Probleme gelöst, im Gegenteil, sie werden verstärkt, vervielfacht oder überhaupt erst losgetreten.

Wie schaltet man um in den Buddhi-Modus? Zunächst einmal: Dieses Umschalten kann nur funktionieren, wenn die Buddhi bereits eine gewisse Kraft hat. Denn die Buddhi ist es, die erkennen muss, dass Umschalten nötig ist. Nur sie kann erkennen, dass ein Manas-Anfall vorliegt. Und nur sie kann gegensteuern.

Aus diesem Grund dreht sich im Advaita Vedanta der Hauptteil der Arbeit darum, die Buddhi zu trainieren. Man braucht dazu keine besonderen Übungen zu machen, man braucht sich nur der Lehre auszusetzen, wie auf diesen Seiten beschrieben. Eine Abkürzung gibt es nicht. Aber wenn man sich drauf einlässt, funktioniert es.

Wer dazu noch nicht bereit ist, dem empfehle ich, voller Konzentration immer wieder diese Essays zu lesen, sich wirklich um Verstehen zu bemühen, vielleicht sogar, eine eigene Zusammenfassung von einem Essay zu machen. Auch das ist Buddhi-Training.

Muss Manas weg?

Die Gegenüberstellung von „Problemfall: Manas“ und „Rettung: Buddhi“ ist eine Vereinfachung, denn einen wichtigen Faktor habe ich erst einmal außen vor gelassen, und das ist Ahamkara, der „Ich-Sager“. Nur wenn dieser Ich-Sager sich mit Emotionen und mit „Ich will unbedingt“ und „Ich will auf keinen Fall“ identifiziert, nur dann ist Manas am Ruder. Wenn diese Identifikation nicht stattfindet, ist Manas bloß vorhanden, stellt jedoch kein Problem dar, weil die Aktionen der Intelligenz der Buddhi entspringen.

Manas gehört zum Körper-Mind-System dazu, auch beim fortgeschrittenen Sucher. Manas verschwindet nicht irgendwann. Wenn Manas immer weniger stört, liegt das allein daran, dass die Identifikation sich mehr und mehr hin zur Buddhi verlagert hat. Dies ist noch nicht das Ende des Weges, aber es erleichtert die Erkenntnisarbeit (und das Leben!) ungemein.

Und sobald die höchste Erkenntnis da ist, hebelt sie auch die Identifikation mit der Buddhi aus, aber es gibt keinen Rückfall in den Manas-Modus. Durch den Erkenntnisweg hat die Buddhi eine derartige Klarheit und Schärfe entwickelt, dass sie automatisch den Mind-Apparat anführt und Manas sich schon längst ihrer Führung anvertraut hat.

Fußnote:

  1. Emotionen, 08-2011, Buddhi-Fitness-Training, 09-2017, Wer regiert den Mind?, 06-2018, Hingabe und Logik, 09-2018