Natürlich gibt es so viele spirituelle Wege, wie es spirituelle Sucher gibt. Hier möchte ich jedoch den spirituellen Weg an sich betrachten und die einzelnen Phasen, die die meisten Sucher durchlaufen.

Am Anfang der spirituellen Suche steht die Einsicht, dass das Glück, das man gemeinhin durch Erfolg, Geld, menschliche Beziehungen und Genüsse vielfältiger Art zu erlangen sucht, sich so nicht erlangen lässt. Jedenfalls nicht nachhaltig. Also verlagert sich die Suche nach Glück zunehmend in den feinstofflichen Bereich, der oft auch spirituell genannt wird.

So kommt es dann zum ersten Stadium des spirituellen Weges, der Suche nach erfüllenden Erfahrungen. In diesem ersten Stadium wird das Glück weiterhin außen gesucht, aber nicht mehr im weltlich-materiellen Bereich. Man erhofft sich Glückseligkeitserlebnisse nun durch das Aufsuchen „spiritueller“ oder „energetisch aufgeladener“ Orte (Tempel, Kirchen, Berge, Flüsse, Städte) oder durch erhebende Handlungen – Rituale, Meditationen, Astralreisen, Magie etc. Für einige mag der spirituelle Weg hier zu Ende sein, jedoch die Leser dieser Seiten suchen nach mehr. Für sie endet diese erste Phase mit einem Gefühl der Frustration, das im Wesentlichen der Einsicht entspringt, dass auch die wohltuenden Erfahrungen, die solchen Handlungen entspringen, nicht zu einem dauerhaften Glücksgefühl führen.

 

Das zweite Stadium des spirituellen Weges ist erreicht, wenn man erkennt, dass man selbst etwas zu dem ersehnten Glück beitragen kann. Der Fokus der Suche verlagert sich nun nach innen. Viele westliche Sucher beginnen damit, die eigene Psyche zu durchleuchten und machen sich dann daran, „glücksmindernde“ oder „glücksverhindernde“ Faktoren zu eliminieren. Das zweite Stadium kann lange andauern, weil es für die eigene Psyche keine Landkarte gibt: Man weiß nie genau, ob man alle wesentlichen Bereiche schon untersucht hat. Da es ein unübersehbar großes Angebot an glücksverheißenden Methoden gibt, läuft der Sucher Gefahr, in diesem Stadium stecken zu bleiben.

Andere Sucher beginnen in diesem Stadium damit, in irgendeiner Weise den eigenen Mind zu reinigen. Die dabei angelegten Maßstäbe mögen sich unterscheiden, doch allen liegt die Annahme zugrunde, dass Glück nur mit einem geläuterten Mind oder einer geläuterten Seele möglich ist. Da man sich darüber im Klaren ist, dass so ein Läuterungsprozess sehr lange dauern kann, wird das zu erreichende Glück von einigen spirituellen Richtungen gleich auf die Zeit nach dem Tod verschoben. Im Himmel oder im nächsten Leben kann man dann die Früchte der eigenen Arbeit aus diesem Leben ernten. Auch auf diese Weise wird diese zweite Phase oft zum Endstadium der spirituellen Suche.

Viele Sucher bewegen sich halbe Ewigkeiten zwischen dem ersten und dem zweiten Stadium hin und her. Dazu gehören auch all die, die auf der Suche nach Glück die ganze esoterische Palette ausschöpfen, und aufgrund der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten (siehe Oktober- Essay) ebenfalls nie ans Ende des Weges gelangen. Nur diejenigen, die irgendwann die Hoffnung aufgeben, mithilfe von psychologischer oder esoterischer „Läuterungsarbeit“ dauerhaft glücklich zu werden, werden zum nächsten Stadium weitergehen. Dabei kann die im zweiten Stadium geleistete Arbeit an der eigenen Persönlichkeit durchaus eine gute Grundlage für das nächste Stadium bilden. Sie ist also nicht unnütz, aber darf nicht zum Selbstzweck werden.

 

Das dritte Stadium beginnt meist mit purer Frustration. Schließlich hat man bereits alles versucht und nichts, gar nichts, hat das dauerhafte Glück näher gebracht. Jederzeit kann etwas passieren, das einen von den erlebten Höhen wieder ins ganz normale irdische Jammertal stürzt. Jetzt führt nur eines weiter, nämlich das Ziel – also Glück – infrage zu stellen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Tatsächlich ist es sogar ganz und gar unmöglich, denn wer nicht vollends abgestumpft ist, sehnt sich nach dem Glück. Aber warum nur, wenn doch alle Methoden zu seiner Erreichung versagen? Ist die Menschheit von einem sadistischen Gott geschaffen worden, der seinen Spaß daran hat zu sehen, wie alle immer dem Glück nachlaufen und es doch nie finden?!

Advaita gibt eine andere Antwort: Der Mensch ist, was er sucht. Das heißt, er ist tatsächlich reines Glück. Das Problem ist, dass er es nicht weiß. Aus dieser Unwissenheit heraus sucht er das Glück woanders.

Alles, was der Mensch wahrnehmen kann, ist Objekt seiner Wahrnehmung und deshalb nicht er selbst, also das Subjekt. Er kann seine Umgebung, seinen Körper, seine Gedanken und Gefühle wahrnehmen. Nichts davon ist sein wahres Selbst und offensichtlich ist nichts davon reines Glück – das ist ja gerade seine Frustration.

Erst mit der Annahme, dass der Mensch selbst das Glück ist, das er sucht, beginnt das dritte Stadium des spirituellen Weges. Erst jetzt kann der Sucher beschließen, nicht mehr nach dem Glück Ausschau zu halten, sondern er sucht nach seinem wahren Selbst. Er geht davon aus, dass sich die Sache mit dem fehlenden Glück von selbst erledigt, sobald er sein wahres Selbst entdeckt hat.

Er sucht also nicht mehr im grobstofflichen Bereich, auch nicht mehr im feinstofflichen Bereich, sondern er fragt sich: Wer oder was bin ich? Wer oder was ist das Ich? Erst mit dieser Umkehr – weg von den Objekten, hin zum Subjekt, ihm selbst – ist er bereit für den Weg der Erkenntnis. Hier gilt es nun, alle Methoden konsequent an den Nagel zu hängen, die das Glück dort versprechen, wo es nicht zu finden ist. Und dann beginnt die Suche nach jemandem, der ihn auf der Suche nach sich selbst unterstützen kann, jemanden, der sich selbst bereits gefunden hat (siehe November-Essay über den Lehrer).

In diesem Stadium kommen nur Advaita-Lehrer in Frage, alle anderen spirituellen oder so genannten spirituellen Richtungen greifen nun nicht mehr. Um die Suche nach einem Lehrer zu erleichtern, möchte ich hier einen kleinen Überblick geben.

Grundsätzlich kann man die Advaita-Lehrer in vier Kategorien aufteilen:

  1. Traditionelle Advaita-Vedanta-Lehrer
  2. Westliche Satsang-Lehrer
  3. Westliche Neo-Advaita-Lehrer
  4. Lehrer des direkten Weges (Direct Path)
    • Ad 1 – Traditionelle Lehrer sind meist Inder oder Amerikaner, die einzige deutschsprachige Lehrerin, die mir bekannt ist, bin ich selbst. Auf dieser Webseite findet ihr eine Menge Informationen darüber, was und wie ich lehre. Wichtig ist, die Essays oder Artikel auf dieser Seite vom tatsächlichen Lehren zu unterscheiden. Nur das Lehren folgt der erprobten Methodologie des Advaita Vedanta, die den Sucher tatsächlich ans Ziel bringt. Im Advaita Vedanta ist der Lehrer unverzichtbar.
    • Ad 2 – Westliche Satsang-Lehrer gibt es in einer unübersehbaren Fülle, auch deutschsprachige. Wer von ihnen wirklich Advaita lehrt und ein guter Lehrer ist, kann ich allein deshalb nicht beurteilen, weil ich die meisten nicht kenne. Ich nenne zwei, denen ich selbst zu großer Dankbarkeit verpflichtet bin: Dolano und Gangaji sowie zwei, die ich schätze, Mooji und Adyashanti. Westliche Satsang-Lehrer folgen keinem System; jeder hat seine eigene Handschrift. Sie lehnen sich oft an Ramana Maharshi an (der übrigens nicht das traditionelle Advaita Vedanta gelehrt hat), sind mit dessen Lehren aber nicht unbedingt vertraut.
    • Ad 3 – Neo-Advaita nennt man die Lehrer, die im Wesentlichen nicht lehren. Ihre Hauptaussage ist, „Du bist schon das, was du suchst“, was der höchsten Wahrheit entspricht. Allerdings bieten sie keinerlei Instrumentarien an, wie der Sucher sie erkennen kann, sondern betonen, dass es sich um reinen Zufall handelt, ob jemand die höchste Wahrheit erkennt oder nicht. Zum Neo-Advaita gehören zum Beispiel Tony Parsons, Nathan Gill, Jeff Foster, Leo Hartong, Unmani Liza Hide. Neo-Advaita-Lehrer lehnen sich oft an Nisargadatta Maharaj an und beziehen sich auch gerne auf Ramesh Balzekar.
    • Ad 4 – Der Direkte Weg ist in diesem Sinne kein Weg, aber doch eine sehr charakteristische Herangehensweise ans Advaita. Er basiert allein auf Logik – wobei seine Lehrer mit dem traditionellen Advaita Vedanta vertraut sind. Das traditionelle Advaita Vedanta basiert jedoch auf den Vedanta-Schriften, die dann mit Hilfe von Logik untermauert werden. Zum Direkten Weg gehören Greg Goode, Francis Lucille und Rupert Spira. Begründer des Direkten Weges war Atmananda Krishna Menon, ein Schüler von ihm war Jean Klein.